Vor mehr als zehn Jahren wurde dieses außergewöhnliche Restaurant Nocti Vagus in Berlin-Mitte eröffnet und das als erstes Dunkelrestaurant in Berlin überhaupt. Es wurde mehr als Zeit, dass ich dort nun auch mal das Essen ausprobiere und mir dieses Konzept genauer ansehe. Also reserviere ich telefonisch einen Tisch für zwei Personen für einen Samstag Abend im Januar für das Dunkelrestaurant Nocti Vagus.
Inhaltsübersicht
Warum wähle ich dieses Restaurant?
Seit der Geburt unserer Tochter vor sechs Monaten hatten Dimitri und ich keine wirkliche Zweisamkeit mehr. Ein Abend zu Zweit war dringend nötig. Das Dunkelrestaurant scheint perfekt für ein Rendezvous. Zusammen können wir mal wieder etwas außergewöhnliches erleben. Schon auf dem Weg zum Restaurant werde ich etwas nervös. Wie wird es sein so im Dunkeln zu sitzen? Werden wir uns genug zu sagen haben? Werde ich das Essen mit Besteck essen können? Hoffentlich werfe ich nichts vom Tisch oder gar mein Getränk um!
das Erlebnis Dunkelrestaurant Nocti Vagus
Total freundlich werden wir sofort an der Tür begrüßt und gebeten unsere Garderobe unten abzugeben. Wieder oben werden wir in der Lounge platziert. Wir bekommen die Getränkekarte, sowie die Menü-Auswahl. Da wir beide keinen Alkohol trinken, sind die Softdrinks schnell bestellt. Ich entscheide mich für das Menü mit Fleisch, Dimitri ist mutig und nimmt das Überraschungsmenü. Der Kellner erkundigt sich, ob es etwas gibt was er gar nicht mag oder Allergien vorliegen. Beides kann Dimitri verneinen. Unsere Getränke bekommen wir hier oben in der Lounge jedoch nicht. Stattdessen wird uns eine Tomatensuppe mit Mozzarellabällchen als Vorspeise serviert. Nachdem wir aufgegessen haben, werden wir wieder nach unten gebeten. Dort befindet sich der Eingang zum Dunkelrestaurant.
es wird nun dunkel im Nocti Vagus
Der Kellner bringt uns in einen abgedunkelten Raum. Hier scheint nur eine schwache Lampe, so können sich unsere Augen auf die Dunkelheit einstellen. Durch ein Klopfen an der Tür macht der Kellner auf sich aufmerksam. Unsere Bedienung, Doreen nimmt uns in Empfang. Ich lege die Hände auf ihre Schultern, Dimitri seine Hände auf meine Schultern. In einer Polonaise laufen wir zu unserem Tisch. Es ist Tischnummer Zwölf, dies müssen wir wissen damit wir nach Doreen rufen können und sie auch weiß wer eigentlich nach ihr ruft. Es ist dunkel, einfach sehr dunkel. Automatisch sehe ich mich trotzdem um. Außer schwarz sehe ich nichts weiter.
auf „tasten“ und „fühlen“ eingestellt
Wir sitzen nun an einem Tisch nebeneinander. Wir fangen an unsere Umgebung abzutasten und erzählen uns gegenseitig was wir ertastet haben. Auf der linken Seite spürt Dimitri eine Steinwand. An unserem Tisch gegenüber stehen ebenfalls Stühle. Der Stuhl ist aus Holz und recht bequem auf Grund der angenehmen Rückenlehne. Der Tisch ist elegant gedeckt. Tischdecke, Stoffserviette und Bestecke. Zwei Gabeln, zwei Messer und ein kleiner Dessertlöffel. Dieser dient als Orientierung für unser Getränk, denn das steht mittig über dem Dessertlöffel. Umstellen sollten wir das Glas lieber nicht, denn auch Doreen muss wissen wo was liegt um später den Teller richtig abstellen zu können. Wir bekommen einen Brotkorb zwischen uns gestellt. Mehr als einmal landen unsere Finger im Dip um das Brot ein zu dippen. Später taste ich auch auf meinem Teller nach dem Essen umher.
unser Sinn „hören“ ist geschärft
Wir hören andere Gäste im Restaurant, nicht sehr laut. Wir versuchen ungefähr auszumachen wo sich die anderen Tische befinden und versuchen zu erraten wie viele Tische noch besetzt sind. Vielleicht sind es sechs oder sieben. Zumindest konnten wir Stimmen für mindestens sechs Tische aus machen. Es ist Samstag und es spielt eine Live-Band. Aus diesem Grund wollte ich gern an einem Samstag dorthin. Ich dachte mit etwas Musik ist die Dunkelheit angenehmer. Die Sängerin hat eine Wahnsinns-Stimme. Höre ich es so, weil mich visuell nichts beeinflussen kann? Später stimmt auch Doreen mit ein, auch ihre Stimme ist sehr angenehm und sorgt für Unterhaltung.
schmecken und riechen
Das Menü konnte ich mir in der Lounge aussuchen. Ich entscheide mich für Menü 2 mit Fleisch. Unten im Dunkelrestaurant kann ich mich jedoch nur schwer erinnern was ich mir da eigentlich ausgesucht hatte. Also muss ich es wohl ertasten und schmecken was ich da nun esse. Die Vorspeise, eine Art Salat mit Geflügel esse ich halb mit den Fingern und halb mit der Gabel. Dimitri und ich schaffen es tatsächlich uns gegenseitig vom anderen Essen etwas kosten zu lassen. Wahrscheinlich hat Dimitri eine Salatkreation mit Lachs. Uns beiden schmeckt es ausgezeichnet.
Wir werden gefragt, ob wir gleich den Hauptgang möchten, oder eine kleine Pause zwischen den Gängen machen möchten. Um die Atmosphäre zu genießen, warten wir etwas. Wir haben Zeit uns zu unterhalten und der Musik zu lauschen.
Der Hauptgang duftet herrlich. Wieder taste ich mit meinen Fingern auf dem Teller umher und mache mir so ein Bild von dem Gericht. Das Fleisch ist in kleine Scheiben geschnitten, dafür bin ich sehr dankbar. Hätte ich es schneiden müssen, wäre sicher die Hälfte des Essens auf der Tischdecke gelandet. Ich habe viele verschiedene Gemüsesorten auf meinem Teller. Von der Konsistenz und Beschaffenheit her würde ich sagen es ist (wie versprochen) frisch zubereitet. Geschmacklich ist das Essen einwandfrei. Dimitri genießt auch sein Menü, so sehr das er den Teller ableckt, sieht ja keiner. So im Dunkeln bleiben die Manieren eben etwas auf der Strecke. Ich schaffe mein Gericht nicht ganz, gern hilft Dimitri mir den Teller zu leeren. Immer wieder gehe ich mit den Fingern auf dem Teller auf und ab, um sicher zustellen ich habe alles gegessen.
Nach einer weiteren Pause bekommen wir das Dessert. Wir beschreiben uns gegenseitig wieder was wir da essen. Mein Schokomousse schmeckt ganz gut, obwohl ich kein großer Fan von Mousse bin. Am besten schmeckt mir das Sorbet. Davon hätte es ruhig mehr sein können. Auch Dimitri isst sein ganzes Dessert auf, obwohl er für gewöhnlich nicht so gerne Süßes mag. Zum Abschluss bestellen wir Espresso. Unser Rendezvous neigt sich dem Ende und wir lassen uns aus der Dunkelheit raus führen.
meine Dunkelerfahrung
Zwischenzeitlich hatte ich das Gefühl ich sehe Lichter, obwohl gar nichts da war. Ich musste mein Augen etwas schließen und dann ging es wieder. Es ist schon merkwürdig sich plötzlich auf die anderen Sinne zu verlassen. Dennoch hat uns diese Erfahrung gefallen. Wir waren beide noch so in Trance als wir oben wieder in der Lounge zum Bezahlen waren, dass wir glatt vergessen haben zu fragen was denn eigentlich das Überraschungsmenü war. Preislich ist das Ganze schon etwas happig : 69,00 Euro pro Menü inklusive Entertainment am Samstag, Getränke sind extra.
Fazit
Insgesamt kann ich dieses Erlebnis absolut empfehlen. Einfach mal raus aus der Komfortzone. Durch die Dunkelheit kann man sich viel offener unterhalten, obwohl Nachbartische die Konversation ebenfalls hören und eventuell mitreden. Aber da man sich ja nicht sieht, ist dies doch kein Problem und führt zu interessanten Themen. Unsere Bedienung war sehr offen, herzlich und auch schlagfertig, eine richtige „Berliner Schnauze“ eben. Als Berlinerin finde ich das natürlich super.
Dunkelrestaurants gibt es mittlerweile nicht nur in Berlin, sondern auch in vielen anderen Städten. Warst Du auch schon in einem Dunkelrestaurant? Teile doch gern Deine Erfahrung mit mir und meinen Lesern. Ich bin gespannt wie Du es empfunden hast.